Nach deutlichen Protesten kündigte die deutsche Regierung an, bei der nationalen Covid-App auf eine dezentrale statt einer zentralen Lösung zu setzen. Nicht lange davor tat sich in der deutschen Politik und und in manchen Kommentarspalten Unmut darüber auf, dass von Datenschützer*innen und IT-Expert*innen fehlender Datenschutz bei der von der Regierung voran getriebenen Covid-App (auf Basis des PEPP-PT Rahmenwerkes, „Pan-European Privacy-Preserving Proximity Tracing“) bemängelt wurde. Datenschutz wäre zwar wichtig, aber in der aktuellen Krise nun mal zurückzustellen.
Mehrere namhafte netzpolitische Organisationen (darunter der Chaos Computer Club, die Gesellschaft für Informatik und das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e. V.) hatten sich am 24.4. in einem offen Brief an die Regierung gewandt und kritisieren das Festhalten an der zentralen Lösung, welches hohes Missbrauchspotential besäße.
Doch es geht eben auch anders. Österreich setzt beispielsweise mit der „Stopp-Corona-App“ auf eine eigene dezentrale Lösung. Diese und andere ähnliche Lösungen basieren erstens auf freier Open Source Software, können also von unabhängigen Expert*innen überprüft werden. Zweitens werden persönliche Daten nicht an einen zentralen Server übermittelt, was datenschutzrechtlich höchst bedenklich wäre.
Wie eine solche dezentrale Lösung grob funktioniert, zeigt dieser Comic von Nicky Case (auch erhältlich in einer ausführlicheren Variante in englisch und deutsch):

Doch selbst dezentrale Lösungen bergen ein – wenn auch deutlich geringeres – Missbrauchspotential. Das muss letztendlich mit dem Nutzen abgewogen werden, welcher wiederum von vielen Faktoren abhängt, beispielsweise wie viele Menschen die App nutzen.
Da die verwendete Smartphone-Technik nicht den genauen Abstand zu anderen Personen messen kann und auch nicht weiß, ob Schutzmasken getragen oder Hände geschüttelt wurden, oder ob man beispielsweise nur mit dem Rad an einem Auto vorbeigefahren ist, könnte es zu falschen Warnungen durch die App kommen, was wiederum den Vertrauen in die Apps schmälern könnte. Zudem könnten solche Apps eine falsche Sicherheit vorgaukeln, was Nutzer*innen möglicherweise dazu verleitet, in ihren Begegnungen mit Mitmenschen nachlässiger zu werden. Dabei sind gerade Einhalten von sozialer Distanz, Mundschutz und Händewaschen einfache und effektive Mittel gegen eine Ansteckung.
Es ist jetzt wichtig, dass der öffentliche Druck nicht nachlässt und dass die Regierung weiter dazu bewegt wird, auf eine datenschutzfreundliche Lösung zu setzen. Denn die Corana-Krise ist ernst, darf aber nicht als Entschuldigung dafür genutzt werden, andere Grundrechte leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Die Frage ist nicht nur, in welcher Gesellschaft wir jetzt, sondern auch in welcher Gesellschaft wir nach dieser Krise leben wollen.